Legal Guide #4: Beteiligung eines Investors an einem Start-up – Wie läuft eine Finanzierungsrunde ab?
Endlich die richtige Idee, endlich die richtige Unternehmensform, aber nun benötigt ihr Kapital von eine*r Investor*in. In unserer neuen "Legal Guide" Blogserie widmen wir uns rechtlichen Grundlagen für Start-ups und klären die wichtigsten Rechtsfragen, die vielen Gründer*innen auf dem Herzen liegen. Dafür haben wir uns fachliche Unterstützung von den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen von Aulinger Rechtsanwälte Notare geholt, die euch in unseren Legal Guides einen kompakten Überblick über Rechtsthemen für Gründer*innen geben. In unserem Legal Guide #4 erklären wir euch, wie eine Finanzierungsrunde abläuft und ein*e Investor*in an eurem Start-up beteiligt wird.
1. Ausgangslage einer Finanzierungsrunde
Wirtschaftlicher Ausgangspunkt für eine Finanzierungsrunde ist, dass euer Start-up Kapitalbedarf für die (Weiter-)Entwicklung der Geschäftsidee und/oder eines Produkts hat. Rechtliche Grundvoraussetzung ist, dass euer Start-up eine geeignete Rechtsform hat, an der sich ein*e Investor*in beteiligen kann. In der Regel sollte und wird dies eine GmbH sein. Je nach Höhe des Kapitalbedarfs und Entwicklungsphase eures Start-ups kommen unterschiedliche Arten von Investor*innen in Frage. In der Frühphase eines Start-ups sind dies oft spezielle Seed-Investor*innen oder (sogenannte) Business Angels. Diese stellen dem Start-up neben Finanzmitteln oft auch Know-how in Form von operativer Unterstützung und Kontakten zur Verfügung und unterstützen euch durch persönliches Engagement. In späteren Phasen und bei höheren Investments sind es dann Venture Capital Funds oder Corporate VCs (d.h. größere Unternehmen, die in Start-ups investieren). Für alle Arten gilt aber, dass Investor*innen eine möglichst hohe Rendite für das eingesetzte Kapital erwarten. Hierfür verlangen sie Mitsprache- und weitere Sonderrechte, die unterschiedlich ausgestaltet sein können, die aber auch beinhalten, dass ein*e Investor*in zu bestimmten Bedingungen einen Exit erzwingen kann. Nur dann geht das Geschäftsmodell von Investor*innen auf.
2. Zeitlicher Ablauf einer Finanzierungsrunde
Die Beteiligung eine*r Investor*in an eurem Start-up steht am Ende eines Prozesses – die sogenannte Finanzierungs- oder Investmentrunde. Diese teilt sich typischerweise in folgende Phasen ein:
Wie lange eine Finanzierungsrunde dauert, hängt vom Einzelfall ab. Es kann sehr schnell gehen (und manchmal muss es dies aus Liquiditätsgründen auch), es kann aber auch mehrere Monate dauern.
3. Vorbereitung einer Finanzierungsrunde
Wichtig ist jedenfalls, dass jede Finanzierungsrunde frühzeitig und sorgfältig vorbereitet werden sollte, um ein wirtschaftlich optimales Ergebnis zu erzielen. Hierzu gehört vor allem ein aktueller und aussagekräftiger Businessplan, der an die Erwartungen des/der Investor*in ausgerichtet ist. Ferner sollte sich das Gründer*innen-Team intern Gedanken über die zukünftige Aufgabenverteilung und das zeitliche Commitment machen. Nur wenn ihr als Team auftretet, werdet ihr eine*n Investor*in gewinnen. Zur Vorbereitung gehört auch, dass ihr alle rechtlichen und operativen Themen geklärt oder eine Lösung zur Klärung habt. Dies umfasst Themen wie: Gehören dem Start-up alle relevanten IP-Rechte? Gibt es Verträge mit Mitarbeiter*innen, Kund*innen und anderen Dienstleistern? Ist die passende Domain reserviert? Eine Marke oder Patent angemeldet? etc. Diese Informationen und Unterlagen sollten dann geordnet elektronisch verfügbar sein, damit ein*e potentielle*r Investor*in eine Due Diligence durchführen kann. Die wesentlichen Kernpunkte eures Start-ups sollten in einem Pitch/einer Management Präsentation dem/der potentielle*n Investor*in vorgestellt werden können. Denkt hierbei daran, dass ihr möglicherweise auch internationale Investor*innen ansprechen werdet, so dass die wesentlichen Informationen und Dokumente auch in englischer Sprache vorliegen sollten.
4. Wie wird ein Investor (rechtlich) beteiligt (Beteiligungsdokumentation)?
Die Beteiligung eines/einer Investor*in an eurem Start-up wird in einem rechtlichen Rahmen umgesetzt, der durchaus komplex ist, den aber in diesem Bereich erfahrene Berater*innen für euch händelbar gestalten können. In der Regel werden bei einer Finanzierungsrunde die nachfolgend skizzierten rechtlichen Vereinbarungen abgeschlossen.
Nachdem ein*e Investor*in ernsthaftes Interesse an einer Beteiligung an eurem Start-up bekundet hat (z.B. nach einem Pitch), solltet ihr mit dem/der Investor*in eine Geheimhaltungsvereinbarung abschließen. Anschließend werden die wesentlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Eckpunkte der Beteiligung verhandelt und (noch rechtlich unverbindlich) in einem Term Sheet vereinbart. Grundlage der wirtschaftlichen Verhandlung, in welchem Umfang der/die Investor*in Anteile an eurem Start-up erhält und wie viel Geld er/sie dafür zahlen muss, ist ein Cap Table. Der Cap Table ist ein Excel-Sheet, in dem die bisherigen Beteiligungsverhältnisse und die geplanten zukünftigen Beteiligungsverhältnisse dargestellt sind. Die Beteiligung des/der Investor*in erfolgt rechtlich nämlich dadurch, dass neue Geschäftsanteile an eurem Start-up (der GmbH) ausgegeben werden und der/die Investor*in hierfür einen bestimmten Betrag an die GmbH, d.h. das Start-up zahlt. Die Gründer*innen selbst erhalten keine Zahlung (d.h. keinen Kaufpreis). Das Investment des/der Investor*in fließt ausschließlich in das Start-up.
Nach Abschluss eines Term Sheet wird der/die Investor*in eine Due Diligence Prüfung des Start-ups durchführen und alle relevanten Themen prüfen (Finanzkennzahlen, technische und rechtliche Themen). Art und Umfang der Due Diligence hängen stark von eurem Start-up, dessen Entwicklungsphase und dem/der Investor*in ab. Die Reihenfolge von Term Sheet und Due Diligence kann auch umgekehrt oder parallel sein. Rechtlich verbindlich wird die Beteiligung des/der Investor*in dann durch die Beteiligungsdokumentation umgesetzt. Diese besteht aus der Investmentvereinbarung, die die genauen Bedingungen des Investments regelt (vor allem Höhe des Investments, Anzahl der dafür ausgegebenen Geschäftsanteile, Zeitpunkt der Zahlung, Garantien der Gründer etc.), und der Gesellschaftervereinbarung, die das Verhältnis der Gründer*innen und des/der Investor*in als gemeinsame Gesellschafter*innen des Start-ups regelt. Festgelegt wird dort zum Beispiel, bei welchen operativen Entscheidungen der Investor zwingend zustimmen muss, wie und wann Gewinne ausgeschüttet oder Geschäftsanteile verkauft werden dürfen oder müssen. Vermehrt müssen Start-up und Gründer*innen auch bestimmte Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungskriterien erfüllen (ESG-Kriterien) oder sich zur Erfüllung von Klimaschutzzielen verpflichten. Dies gilt insbesondere dann, wenn Investor*innen öffentlich gefördert sind oder sich selbst zu derartigen Zielen und Regeln verpflichtet haben.
Neben der Investmentvereinbarung und der Gesellschaftervereinbarung umfasst die Beteiligungsdokumentation noch eine Neufassung des Gesellschaftsvertrags (Satzung) des Start-ups, Kapitalerhöhungsdokumentation, Geschäftsführer- oder Anstellungsverträge für die Gründer, Geschäftsordnung für die Geschäftsführung sowie gegebenenfalls ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell.
Schließlich muss die Beteiligungsdokumentation (zumindest bei einer GmbH) notariell beurkundet werden, was bei der Kalkulation der Kosten zu beachten ist. Diese Kosten und die Kosten des/der Investor*in (zumindest teilweise bis zu einer vereinbarten Höchstgrenze) trägt im Regelfall das Start-up (wirtschaftlich aus dem Investmentbetrag).
5. Was erwartet euch nach der Finanzierungsrunde?
Der/die Investor*in erwartet mindestens regelmäßiges Reporting über die Entwicklung eures Start-ups. Der Umfang variiert von Investor*in zu Investor*in, daher solltet ihr rechtzeitig, d.h. vor Abschluss der Finanzierungsrunde, Einzelheiten des erwarteten Reporting mit dem/der Investor*in abstimmen. Investor*innen haben sich in aller Regel Mitsprache- oder Vetorechte bei der Entscheidung über wesentliche operative Maßnahmen einräumen lassen. Dies sollte im täglichen Geschäftsablauf beachtet werden, da manche Entscheidung nun nicht mehr „mal eben auf Zuruf“ getroffen werden können. Das tägliche Start-up-Leben wird daher auch ein wenig formaler. Außerdem gilt der – wahrscheinlich schon gehörte, aber deshalb nicht weniger richtige Spruch: „Nach der Finanzierungsrunde ist vor der Finanzierungsrunde!“
6. Typische Erfolgs- und Misserfolgsquellen einer Finanzierungsrunde
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass jede Finanzierungsrunde einer sorgfältigen Vorbereitung bedarf. Dies fängt an mit einem aussagekräftigen und aktuellen Businessplan (inklusive der relevanten Finanzkennzahlen), aus dem sich der aktuelle Finanzbedarf und damit die Höhe der Finanzierungsrunde ergeben. Es setzt sich fort in der Ansprache von zur Art der Finanzierungsrunde passenden Investor*innen. Ihr solltet euch darüber im Klaren sein, dass eine Finanzierungsrunde nicht in wenigen Tagen umgesetzt wird, sondern eher mehrere Wochen benötigt. Ihr solltet daher so planen, dass kein Liquiditätsengpass entsteht, der eure Verhandlungsposition deutlich verschlechtert.
Wie ihr seht, ist die Beteiligung eines/einer Investor*in, der/die euer Start-up finanziert, mit teilweise komplexen rechtlichen, wirtschaftlichen und strategischen Fragestellungen verbunden ist. Es ist daher wichtig, Berater*innen an eurer Seite zu haben, die alle diese Themen abdecken und Erfahrung im Umgang mit Investor*innen haben.
Rechtlicher Hinweis: Bitte beachtet, dass eine Lektüre dieses Beitrags in keinem Fall eine Rechtsberatung ersetzt. Solltet ihr Fragen haben, setzt euch gerne mit uns in Verbindung.
Über den Autor
Axel Staudt ist Rechtsanwalt und Partner bei AULINGER und verantwortet den Bereich Start-up/Venture Capital und betreut M&A-Transaktionen für nationale und internationale Mandant*innen. Er hat langjährige Erfahrung bei Seed, Series A- und Folgefinanzierung sowie Exit und Buy-Out Transaktionen. Projekte mit Bezug zu ausländischen Investor*innen machen einen erheblichen Teil seiner täglichen Arbeit aus, sodass er selbstverständlich auch in englischer Sprache beraten kann. Axel Staudt betreut nicht nur Investor*innen im Bereich Private Equity und Venture Capital, sondern unterstützt auch Unternehmen und Gründende in der Start-up-Phase und in der laufenden Beratung. Da er den Blickwinkel und die (rechtlichen) Anforderungen von Private Equity und Venture Capital Investor*innen kennt, weiß er, worauf Start-ups mit Blick auf eine Beteiligung von Investor*innen und einem Exit von Anfang an achten müssen. Er ist Coach, Jurymitglied und Mentor bei verschiedenen Businessplan- und Pitchwettbewerben für Start-ups.