Legal Guide #3: Einführung ins Arbeitsrecht für Start-ups
Du stehst mit deinem Start-up kurz vor der Gründung, bist dir aber in einigen Rechtsfragen noch unsicher? In unserer neuen "Legal Guide" Blogserie widmen wir uns rechtlichen Grundlagen für Start-ups und klären die wichtigsten Rechtsfragen, die vielen Gründer*innen auf dem Herzen liegen. Dafür haben wir uns fachliche Unterstützung von den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen von Aulinger Rechtsanwälte Notare geholt, die euch in unseren Legal Guides einen kompakten Überblick über Rechtsthemen für Gründer*innen geben. Heute geht es um das Thema Arbeitsrecht.
Nicht nur vor und während der Gründung eures Unternehmens müsst ihr viele Herausforderungen meistern. Auch nach der Gründung sind insbesondere wirtschaftliche und juristische Stolpersteine zu überwinden. Sobald euer Unternehmen wächst und ihr Euch personell vergrößern wollt, wird euch zwangsläufig die Materie des Arbeitsrechts begegnen. In unserem heutigen Legal Guide #3 fassen wir für euch einige wichtige Punkte zusammen, die ihr als zukünftige Arbeitgeber beachten müsst.
1. Vorab: Mitarbeitende kosten mehr als nur Gehalt
Auch wenn diese Beitragsreihe juristischer und nicht wirtschaftlicher Natur ist, beachtet unbedingt: Mitarbeitende sind teurer als es gemäß Arbeitsvertrag und Lohnabrechnungen den Anschein macht. Das Bruttoentgelt aus der Abrechnung entspricht nicht den Kosten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin (Arbeitgeberbrutto). Zusätzlich zu den Gehaltskosten sind die Lohnnebenkosten zu leisten. Hierzu gehören beispielsweise Sozialabgaben, (Pauschal-)Steuern, Beiträge an die gesetzliche Unfallversicherung und Umlagen für Mutterschaft und Krankheitsfälle. Ihr könnt zuzüglich zum Gehalt mit ungefähr 20 % „Aufschlag“ rechnen. Dies gilt auch für den Minijob/eine geringfügige Beschäftigung. Auch wenn dieses Beschäftigungsmodell für Mitarbeitende als Nebenjob viele Vorteile hat und der Minijob oft als „Nettojob“ verstanden wird, müssen Arbeitgeber Beitragspflichten erfüllen. Diese liegen bei einem Minijob bei ca. 30 % und sind für den Arbeitgeber mithin teurer als ein „normales“ Arbeitsverhältnis.
2. Ein Arbeitsverhältnis entsteht schneller, als man denkt
Arbeitsverträge müssen nicht schriftlich abgeschlossen werden, um wirksam zu sein. Sie können schon im Wege eines „schlüssigen Handelns“ (d.h. in juristisch „konkludent“) entstehen/vereinbart werden. Wenn ihr beispielsweise Mitarbeitende nach mündlicher Vereinbarung nur „zur Probe“ für euch tätig werden lasst und sie dann aber voll in eurem Betrieb einsetzt, kann hierdurch faktisch ein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis begründet werden. Achtet darauf, dass bei einem Probearbeitstag immer verdeutlicht wird, dass die Probearbeit nur einem Kennenlernen dient.
Damit ihr die (persönliche und fachliche) Eignung eurer Mitarbeitenden genau unter die Lupe nehmen könnt, sieht das Arbeitsrecht die Möglichkeit der Probezeit vor. Die Probezeit im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB ermöglicht euch, mit euren Mitarbeitenden ein Arbeitsverhältnis zu vereinbaren, das in den ersten sechs Monaten (= die Probezeit) relativ kurzfristig gekündigt werden kann. Ihr könnt für bis zu sechs Monate vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von nur zwei Wochen einseitig beendet werden kann. Das gilt aber für beide Seiten - Arbeitgeber und Mitarbeitende.
3. Besser alles schriftlich
Ihr solltet Arbeitsverträge stets schriftlich vereinbaren. Dies hat nicht nur den Vorteil, dass ihr im Falle eines Streits über die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses beweisen könnt, was wirklich ausgemacht wurde. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag kann das Arbeitsverhältnis vor allem auch viel umfassender regeln. Beispielsweise die Dauer der Probezeit (s.o.) sollte in jedem Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt sein. Weitere wichtige Punkte sind die Höhe des Gehalts, der Umfang der wöchentlichen/monatlichen Arbeitszeit, die Länge des Urlaubs und die Dauer der Kündigungsfrist. Darüber hinaus sind sämtliche Arbeitgeber gemäß § 2 des Nachweisgesetzes verpflichtet, den Mitarbeitenden die „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ schriftlich auszuhändigen. Ein solcher Nachweis ist nicht erforderlich, wenn die wesentlichen Arbeitsbedingungen bereits im Arbeitsvertrag geregelt wurden. Weiterhin muss ein befristeter Vertrag in jedem Fall verschriftlicht werden; ansonsten ist die Befristung unwirksam.
4. Zwingende Arbeitsbedingungen
Die Gestaltung der Arbeitsverträge, d.h. die einzelnen Konditionen, könnt ihr frei mit euren Mitarbeitenden aushandeln. Doch einige Regelungen sind immer zwingend zu beachten. Hierzu gehören der Mindestlohn (derzeit 12,00 EUR/Stunde), der Mindesturlaubsanspruch (20 Urlaubstage bei einer 5-Tage-Woche) und auch Vorschriften zum Arbeitsschutz. Das Arbeitszeitgesetz muss genauso beachtet werden wie z. B. das Bundesurlaubsgesetz, das Arbeitsschutzgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Mutterschutzgesetz und viele weitere Gesetze und Verordnungen. Je nach Branche gibt es zudem noch besondere Bestimmungen, die ihr immer zu beachten habt. Dies gilt beispielsweise für medizinische Berufe. Auch auf den allgemeinen Kündigungsschutz kann innerhalb eines Arbeitsverhältnisses nicht verzichtet werden.
5. Kündigungsschutz: für jeden und für immer?
In Deutschland genießen Mitarbeitende ab einer Beschäftigung von sechs Monaten (dies ist die sogenannte Wartezeit) mindestens einen allgemeinen Kündigungsschutz. Kündigungen dürfen ab diesem Zeitpunkt gemäß § 1 Kündigungsschutz nicht sozial ungerechtfertigt sein. Vor Beendigung der Wartezeit gilt der allgemeine Kündigungsschutz zwar noch nicht. Allerdings dürfen auch frühzeitige Kündigungen vor Erfüllung der Wartezeit nie sittenwidrig sein.
Sofern die Arbeitsvertragsparteien eine Probezeit mit einer verkürzten Kündigungsfrist vereinbart haben, kann das Arbeitsverhältnis innerhalb der ersten sechs Monate relativ kurzfristig beendet werden.
Nach der Wartezeit gilt – jedenfalls für etwas größere Unternehmen – auch der besondere Kündigungsschutz aus dem Kündigungsschutzgesetz. Für kleine Unternehmen ist von Vorteil, dass die meisten Regelungen aus dem Kündigungsschutzgesetz erst für Betriebe gelten, in denen in der Regel mehr als 10 Mitarbeitende beschäftigt werden. Teilzeitkräfte gelten je nach Beschäftigungsumfang als eine 0,25-, 0,5- oder 0,75-Stelle.
Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz und dem besonderen Kündigungsschutz aus dem Kündigungsschutzgesetz gibt es auch noch diverse Sonderkündigungsschutzrechte. Besonderen Kündigungsschutz haben insbesondere (aber nicht ausschließlich) schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer, Schwangere und Mütter, Mitarbeitende in Elternzeit, sowie Auszubildende.
Die zu beachtende Kündigungsfrist hängt vom Inhalt der Arbeitsverträge ab. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen aus § 622 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Vertragliche Abweichungen sind nur zugunsten der Mitarbeitenden möglich. Dies bedeutet, dass eine Verkürzung der Kündigungsfrist zulasten der Arbeitnehmer nicht möglich ist. Sofern die Kündigungsfrist der Mitarbeitenden vertraglich verlängert wird, muss die verlängerte Kündigungsfrist immer auch für die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber gelten.
6. Vorsichtshalber eine Befristung?
Arbeitsverhältnisse können ohne Sachgrund für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren befristet werden. Die Befristung ist gerade für Start-ups, die sich vor langfristigen Verpflichtungen fürchten, interessant. Doch überlegt es euch gut, ob eine Befristung nicht eventuell auch abschreckend wirken kann. Mitarbeitende wollen Sicherheit und aktuell ist es für Unternehmen schwierig, gute Mitarbeitende zu finden. Weiterhin kann es von Nachteil sein, wenn wertvolle Mitarbeitende nicht an euch gebunden sind und euch gerade dann verlassen, wenn Sie sich gut eingearbeitet haben und euer Unternehmen in- und auswendig kennen.
Die Gestaltung von Arbeitsverträgen, der Abschluss des Vertrags und die Beendigung des Vertragsverhältnisses kann mit vielerlei Problematiken einhergehen. Solltet Ihr euch vergrößern und eure ersten Mitarbeitenden anstellen wollen, lasst euch im besten Fall von einem Rechtsanwalt beraten. Auch die Rücksprache mit eurem Steuerberater ist sinnvoll.
Rechtlicher Hinweis: Bitte beachtet, dass eine Lektüre dieses Beitrags in keinem Fall eine Rechtsberatung ersetzt. Solltet ihr Fragen haben, setzt euch gerne mit uns in Verbindung.
Über die Autorin
Katrin Hoffmann ist Rechtsanwältin in der Bochumer Wirtschaftskanzlei Aulinger. Sie berät nationale und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte zum Arbeits- und Sozialrecht und vertritt diese sowohl außergerichtlich, als auch gerichtlich. Sie ist im Sozialversicherungsrecht insbesondere spezialisiert auf die Vermeidung von Scheinselbstständigkeiten und berät vielfach zur Vertragsgestaltung von Freelancertätigkeiten und Auftragsangelegenheiten. Weiterhin unterstützt sie unter anderem auch Unternehmen bei der Abwehr unrechtmäßiger (Nach-)Forderungen von Sozialversicherungsbeiträgen.