Legal Guide #5: 7 rechtliche Fehlvorstellungen bei der Gründung
Schon in der Anfangsphase eines Gründungsprojekts stellen sich einige wichtige rechtliche Fragen, doch aus Sorge vor den Kosten scheuen viele Start-ups davor zurück, sich rechtlich professionell beraten zu lassen. In unserer "Legal Guide" Blogserie widmen wir uns rechtlichen Grundlagen für Start-ups und klären die wichtigsten Rechtsfragen, die vielen Gründer*innen auf dem Herzen liegen. Dafür haben wir uns fachliche Unterstützung von den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen von Aulinger Rechtsanwälte Notare geholt, die euch in unseren Legal Guides einen kompakten Überblick über Rechtsthemen für Gründer*innen geben. In unserem Legal Guide #5 klären wir euch über die "Klassiker" der Fehlvorstellungen in der Gründung auf.
1. „Schutz vor Haftung ist mir zwar wichtig, aber ich gründe keine GmbH. Ich kann/will es mir nicht leisten, 25.000 € einfach irgendwo zu parken.“
Gemeint ist damit das sog. Stammkapital der GmbH, das grundsätzlich mindestens 25.000 € betragen muss. Dieser Gedanke beruht jedoch auf gleich zwei Fehlern: Zum einen ist das Stammkapital kein „totes Kapital“, das irgendwo verwahrt werden müsste. Die GmbH kann damit vielmehr (fast) ganz normal arbeiten und es vor allem auch für betriebliche Zwecke ausgeben. Es gibt zwar einige Beschränkungen, die aber vor allem die Rückzahlung des Geldes an die Gesellschafter*innen betreffen (bzw. verbieten).
Außerdem beträgt das Stammkapital zwar mindestens 25.000 €. Davon muss aber insgesamt nur die Hälfte für die Gründung auch eingezahlt sein. Eine GmbH kann daher grundsätzlich auch mit einer Liquidität von nur 12.500 € gegründet werden. Kehrseite davon ist u.a., dass darauf im Jahresabschluss hingewiesen werden muss, was „Kreditgebende“ häufig nicht gerne sehen. Außerdem haften die Gesellschafter*innen in Höhe ihrer nicht eingezahlten Einlage (also begrenzt) mit ihrem persönlichen Vermögen.
2. „Wir gründen erstmal eine GbR. Und wenn es läuft – in einem Jahr oder so – dann eine GmbH.“
Hier soll der Aufwand erst einmal möglichst gering gehalten werden. Diese Idee ist nachvollziehbar, aber häufig trotzdem nicht richtig durchdacht. Für die Gründung von zwei Gesellschaften, schließt man – idealerweise – auch zwei Gesellschaftsverträge, die sich zwar ähneln aber in wichtigen Punkten auch unterscheiden werden. Man hat also zweimal „Gründungsaufwand“. Außerdem ist die Gründung einer GmbH ein Prozess, der eine gewisse Zeit – nicht selten einige Monate – in Anspruch nehmen kann. Wie viel Zeit dafür nötig ist, hängt zunächst von den Gründer*innen und dem Norariat ab. Aber auch das Amtsgericht (das für die Eintragung ins Handelsregister verantwortlich ist) kann für erhebliche Verzögerungen sorgen. Wenn man sich überlegt, wann man deshalb die Gründung der GmbH einleiten müsste, um nach einem Jahr mit Sicherheit eine „fertige“ GmbH zu haben, lohnt sich die vorherige Gründung einer GbR häufig nicht mehr. Außerdem entsteht häufig zusätzlicher Beratungsaufwand aus der „Überführung“ von bereits vorhandenen Wirtschaftsgütern, Verträgen etc. in die GmbH.
Das heißt aber natürlich nicht, dass es nicht sinnvoll sein kann, die anfangs gewählte Rechtsform nach einer Weile zu wechseln oder zumindest zu überdenken. Da dieser Prozess allerdings je nach Einzelfall schon für sich genommen kompliziert sein kann, sollte man hier vorausschauend planen.
3. „Ich gründe keine GmbH. Das ist viel zu teuer. Eine UG kann ich auch mit einem Euro gründen.“
Theoretisch geht das – praktisch aber kaum. Denn mit irgendeinem Geld muss die UG ja auch arbeiten. Die Gründung einer UG kann zwar in verschiedener Hinsicht „leichter“ sein (weniger Stammkapital, häufig geringere Notarkosten). Sie hat aber auch Nachteile. Zunächst wird der UG häufig nur eine sehr geringe Kreditwürdigkeit zugesprochen. Teilweise wird die Gründung einer UG sogar so ausgelegt, dass man entweder nicht genug Geld oder nicht genug Vertrauen in das eigene Projekt hat, um das für eine Gründung einer GmbH nötige Kapital zu „riskieren“. Es ist zwar an sich nicht verwerflich, hier eher zurückhaltend zu sein – trotzdem wird eine UG von Banken und Geschäftspartner*innen nicht immer gerne gesehen.
Außerdem muss ein Teil der Gewinne einer UG zurückgelegt werden, bis das Stammkapital erreicht ist, das eine GmbH benötigt hätte. Man „spart“ also quasi zwangsweise auf die GmbH. Außerdem ist es häufig sinnvoller, die Entscheidung zwischen der Gründung einer UG und einer GmbH vom eigenen Kapitalbedarf abhängig zu machen. Benötigt die Gesellschaft ohnehin ein Startkapital von mindestens 12.500 € (s.o.), spricht vieles dafür, unmittelbar eine GmbH zu gründen.
4. „Wir wissen noch nicht so richtig, wie wir gründen wollen. Das müssen wir später noch entscheiden. Aber erstmal legen wir los.“
Gegründet habt ihr in diesem Moment wahrscheinlich schon – und zwar eine GbR. Die Gründung einer GbR braucht grundsätzlich keinen „formellen Akt“ wie die Unterzeichnung eines Vertrages. Wenn sich mehrere Personen zu einem gemeinsamen Zweck zusammentun und jede*r einen Beitrag dazu leisten soll, ist häufig bereits eine GbR entstanden – ob ihr wollt oder nicht. Gerade weil eine GbR damit sehr schnell entsteht, sieht das Gesetz hierfür bestimmte Regeln vor, die u.a. darauf ausgerichtet sind, dass niemand alleine viel entscheiden kann. So soll insbesondere vermieden werden, dass die anderen Gesellschafter*innen ohne ihren Willen in ein Haftungsrisiko geraten.
Zugleich wird die GbR damit aber auch operativ stark gehemmt. Grundsätzlich können Verträge im Namen der GbR nämlich auch nur geschlossen werden, wenn alle Gesellschafter*innen zustimmen. Das ist im Geschäftsverkehr natürlich nicht besonders pragmatisch. In einem Gesellschaftsvertrag kann man das ändern. Es ist also wichtig und sinnvoll, sich frühzeitig zumindest über einige grundlegende Fragen abzustimmen und hierzu eine (schriftliche) Regelung zu treffen.
5. „Einen Gesellschaftsvertrag? Sowas brauchen wir nicht. Wir sind seit der Jugend beste Freunde und wollen jetzt unseren Traum verwirklichen. So ein Vertrag löst doch höchstens Streit aus und teuer ist er auch.“
So unerfreulich es auch ist: Verträge schließt man nicht für den Fall, dass alles funktioniert, sondern für den Fall, dass es Meinungsverschiedenheiten oder Probleme gibt oder man sich von den Vertragspartner*innen „trennen“ will. Das könnt ihr ganz einfach überprüfen: Aus welchem Grund habt ihr zuletzt einen Blick in euren Mietvertrag, Arbeitsvertrag oder sonst einen (bereits abgeschlossenen) Vertrag geworfen?
Und genau das ist eben auch ein wichtiger Punkt beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrages: Sich gemeinsam und „im Guten“ ehrlich zu verständigen, was gelten soll, wenn es Probleme gibt. Kommt man darüber zu keiner Einigung, muss man möglicherweise noch einmal überlegen, ob es untereinander wirklich „passt“ – in guten wie in schlechten Zeiten. Umgekehrt ist es aber natürlich auch eine wichtige Bestätigung eines Gründerteams diese (erste) Belastungsprobe gemeinsam gut überstanden zu haben. Die Erfahrung zeigt leider, dass sich manchmal (aber natürlich auch längst nicht immer!) auch beste Freund*innen, Geschwister und Ehepartner*innen über unternehmerische Fragen völlig zerstreiten. Das ist nicht nur an sich sehr schade, sondern regelmäßig auch deutlich teurer als ein gut gemachter Gesellschaftsvertrag.
Besonders teuer muss ein solcher Vertrag dabei gar nicht unbedingt sein. Im Einzelfall hängt das natürlich auch davon ab, wie kompliziert die Regelungen sind, die ihr euch vorstellt. Hier kann man sich aber z.B. schon darüber eine Menge Beratungsaufwand sparen, dass man sich vorher untereinander schon zu bestimmten grundsätzlichen Fragen abstimmt. Um den eigenen Beratungsbedarf oder die möglicherweise wichtigen Fragen im Einzelfall herauszuarbeiten, könnt ihr zum Beispiel Angebote von Universitäten, Wirtschaftsförderungsgesellschaften oder anderen Organisationen für kurze kostenfreie Beratungsgespräche nutzen.
6. „Na gut, wenn wir schon zum Notariat müssen, dann suchen wir uns wenigstens ein günstiges aus – und geht das nicht auch online?“
Notar*innen werden zwingend zu gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren tätig. Die exakt gleiche Gründung sollte also bei jedem Noratiat auch gleich viel kosten. Zusatzkosten können durch eine ergänzende anwaltliche Beratung entstehen, wenn z.B. besonders komplizierte Regelungen zu bestimmten Themen gewünscht sind, die über die Tätigkeit der Notarin oder des Notars hinausgehen. Wenn der Besuch im Notariat immer gleich viel kostet, sollte man eine Kanzlei auswählen, deren Arbeit qualitativ gut ist. Ein erstes Indiz dafür kann das (sonstige) Tätigkeitsfeld des Notars oder der Notarin sein, das man häufig über die Website herauskriegen kann – „Gesellschaftsrecht“ ist dabei das für euch wichtigste Stichwort.
Außerdem kann man diese Gelegenheit dazu nutzen, eine Kanzlei kennenzulernen bzw. „zu testen“, mit der man später vielleicht auch in anderen Bereichen zusammenarbeiten könnte, weil sie fachlich entsprechend breit aufgestellt ist. Wenn ein Unternehmen erfolgreich ist, wird es nämlich irgendwann auch weitere rechtliche Beratung benötigen. Grund dafür muss nicht einmal ein Rechtsstreit sein. Insbesondere Fragen der (professionellen) Gestaltung von Verträgen mit Kunden oder eigenen Dienstleistern bzw. Zulieferern stellen sich irgendwann ebenso zwangsläufig wie die der Einstellung von Mitarbeiter*innen. Dabei kann es helfen, eine Ansprechperson zu haben, die das Unternehmen und/oder die Verantwortlichen zumindest schon ein wenig kennt.
Online-Gründungen gibt es übrigens seit Sommer 2022 tatsächlich. Diese werden auch von immer mehr Notariaten angeboten. Die Gründung vor Ort kann aber natürlich auch ein wichtiges gemeinsames Erlebnis sein – das ist letztlich Geschmackssache.
7. „Name, Sitz, Unternehmensgegenstand, Verteilung der Geschäftsanteile, Geschäftsführung – war es das dann?“
Jein – mit einfachen Regelungen zu diesen (und einigen weiteren) Themen kann eine Gesellschaft funktionieren. Man kann aber auch viel komplexere Regelungen treffen. Was passiert z.B., wenn ein (wichtiges) Teammitglied aussteigen will? Soll es dann ein besonderes Wettbewerbsverbot geben? Welche Abfindung erhält er oder sie möglicherweise? Ohne es zu kompliziert machen zu wollen: Die Liste von Themen, die man regeln kann, ist lang. Längst nicht jedes Unternehmen braucht aber (insbesondere am Anfang) so komplexe Regelungen. Hier hängt letztlich viel von den Vorstellungen der Gründerteams ab.
Daneben gibt es natürlich noch viele weitere wichtige Themen. Je nach Unternehmen kann das die Gestaltung von AGB, einer Datenschutzerklärung oder anderer Vereinbarungen betreffen. Gleiches gilt für möglicherweise erforderliche Genehmigungen oder die Sicherung gewerblicher Schutzrechte wie Marken- und Patentrechte. Diesen Bedarf kann man aber kaum sinnvoll abstrakt definieren. Auch hier hilft ein erster Austausch mit einer*m Rechtsanwält*in häufig schon dabei, die eigene Lage besser einschätzen zu können.
Wichtig ist ansonsten, dass es (faktisch und rechtlich) einen Plan B gibt. Das gilt vor allem für Unternehmen, deren Geschäft bereits richtig „angelaufen“ ist. Ein solches Unternehmen darf nicht handlungsunfähig werden, weil z.B. die*der einzige Geschäftsführer*in nach einem Unfall im Krankenhaus liegt. Ein abschließender Tipp dazu: Eine Google-Suche zum Stichwort „unternehmerischer Notfallkoffer“.
Rechtlicher Hinweis: Bitte beachtet, dass eine Lektüre dieses Beitrags in keinem Fall eine Rechtsberatung ersetzt. Solltet ihr Fragen haben, setzt euch gerne mit uns in Verbindung.
Über den Autor
Andreas Vogelpoth ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht bei der mittelständischen Kanzlei Aulinger in Bochum. Er berät dort u.a. Gründungsteams und junge Unternehmen in verschiedensten Situationen und zu unterschiedlichen Themen. Dabei kann es ebenso um die Wahl der passenden Rechtsform gehen wie z.B. um die Gestaltung von AGB, die Prüfung von Verträgen, die Beteiligung von Mitarbeiter*innen am Unternehmen oder auch die Vertretung im Streit mit Vertragspartner*innen.